Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und der GKV-Spitzenverband haben wichtige Neuerungen für Videosprechstunden und Telekonsile vereinbart, die am 01. März 2025 in Kraft getreten sind. Ergänzend zu den Vorgaben zur Durchführung von Videosprechstunden und Telekonsilien, enthält die Vereinbarung Vorgaben zur Sicherung der Versorgungsqualität der telemedizinischen Versorgung.
Die Kernpunkte der Vereinbarung sind:
- Verpflichtende Nutzung der elektronischen Patientenakte (ePA) bei Videosprechstunden, vorbehaltlich eines Patientenwiderspruchs;
- Anwendung der bestehenden Vorgaben für den elektronischen Medikationsplan auch bei Videosprechstunden und Telekonsilien;
- Förderung eines breiten Einsatzes von Videosprechstunden und Telekonsilien, z.B. durch Schaffung eines niederschwelligen Zugangs zu Videosprechstunden für Versicherte;
- Klarstellende Vorgaben zur Erbringung telemedizinischer Leistungen außerhalb des Vertragsarztsitzes;
- Keine Anrechnung der außerhalb des Vertragsarztsitzes durchgeführten Videosprechstunden auf die Mindestsprechstundenzeit;
- Verpflichtung zur Sicherstellung einer strukturierten Anschlussversorgung.
Darüber hinaus sind die Terminvermittlungsstellen ab dem 01. September 2025 verpflichtet, bei dem Arzt bisher unbekannten Patienten ein strukturiertes Ersteinschätzungsverfahren durchzuführen, um Terminwünsche nach Behandlungsbedarf zu priorisieren.
Die konkretisierten Vorgaben sind ein wichtiger Schritt zur Verbesserung der telemedizinischen Versorgung und zur Integration vorhandener digitaler Lösungen. Gleichwohl lässt sich mit ihnen (noch) nicht das volle Potenzial der telemedizinischen Versorgung ausschöpfen. Denn es ergeben sich durch die verpflichtende Nutzung der ePA auch erweiterte Dokumentationspflichten sowie potenzielle Haftungsrisiken bei technischen Störungen oder Datenverlusten. Die fehlende Anrechnung von Videosprechstunden außerhalb des Vertragsarztsitzes auf die gesetzlich vorgeschriebene Mindestsprechstundenzeiten stellt einen Hemmfaktor für die Bereitstellung telemedizinischer Angebote durch niedergelassene Ärzte dar. In Regionen mit Ärztemangel könnte dies zu einer verminderten Verfügbarkeit telemedizinischer Angebote führen, obwohl gerade dort der Bedarf besonders hoch wäre.
Darüber hinaus sieht die Vereinbarung vor, dass das Angebot von Videosprechstunden in den Praxisräumen „transparent auszuweisen“ ist. Diese Vorgabe steht jedoch in einem gewissen Spannungsverhältnis zu den bestehenden Regelungen zur Werbung für Fernbehandlungen. Einerseits soll das Angebot von Videosprechstunden transparent ausgewiesen werde, was eine gewisse Sichtbarkeit des Angebots voraussetzt. Andererseits bleiben die restriktiven Vorgaben zur Zulässigkeit von Werbung für Fernbehandlungen weiterhin in Kraft. Als zulässig gilt derweil eine bloße sachliche Information über das Angebot von Videosprechstunden auf der Praxis-Website.
Die Anlage 31c zum BMV-Ä stellt einen wichtigen Schritt zur Förderung der Telemedizin dar. Jedoch zeigen die genannten Aspekte – die Unklarheiten bezüglich der Information über Videosprechstunden sowie die fehlende Anrechnung auf Mindestsprechstundenzeiten – dass noch erheblicher Nachbesserungsbedarf besteht. Um eine flächendeckende, qualitativ hochwertige Versorgung mit Telemedizin zu gewährleisten, sind weitere Anpassungen des rechtlichen und regulatorischen Rahmens unerlässlich. Nur durch eine kohärente und praxisnahe Gestaltung der Rahmenbedingungen kann die Telemedizin zu einem integralen Bestandteil der medizinischen Versorgung in Deutschland werden.
Thea Schiller, Rechtsanwältin