Die Fremdbesitzverbote in der ambulanten Medizin, konkret für MVZ und Ärzte-Gesellschaften, könnten 2025 ein zentrales Thema werden. Denn am 19.12.2024 wird der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) in Bezug auf vergleichbare Regelungen für Rechtsanwälte ein womöglich wegweisendes Urteil sprechen.
Bleibt alles wie es ist oder stehen wir vor grundlegenden Veränderungen?
Nachdem der Generalanwalt am EuGH Campos Sánchez-Bordona am 04.07.2024 seine Schlussanträge in der Rechtssache C-295/23 (Halmer Rechtsanwaltsgesellschaft UG gegen die RAK München) vorgelegt hat, wird es jetzt spannend. Denn aus seiner Sicht sind die deutschen Regeln zwar im Grundsatz akzeptabel, in der Gesamtschau allerdings nicht stimmig, sodass ein Verstoß gegen EU-Recht gegeben sei.
Vorausgegangen war ein Vorlagebeschluss des Bayrischen Anwaltsgerichtshof (AGH) an den EuGH vom 20.04.2023 wegen erheblicher Bedenken am anwaltlichen Fremdbeteiligungsverbot verbunden mit der Frage, ob darin eine unzulässige Beschränkung der europäischen Grundfreiheiten, namentlich der Kapital–, Dienst- und Niederlassungsfreiheit zu erblicken sei.
Angesichts der zum Teil umfassenden Forderungen nach weiteren Einschränkungen der MVZ-Gründungsberechtigung sei hier ein Blick auf die Vorlageentscheidung des AGH geworfen, die erstaunliche Parallelen in der Diskussion offenbart, zumal die Richter des AGH explizit auch den Vergleich zu medizinischen Versorgungszentren und Krankenhäusern zogen.
I. Vorlageentscheidung an den EuGH
Dem Vorabentscheidungsersuchen des AGH liegt ein Fall zugrunde, in dem ein Rechtsanwalt eine Unternehmergesellschaft (UG) gegründet und in der Folge eine Mehrheit der Gesellschaftsanteile an eine österreichische, nicht-anwaltliche Gesellschaft mit beschränkter Haftung abgetreten hatte. Die Rechtsanwaltskammer München widerrief daraufhin die Zulassung der UG als Rechtsanwaltsgesellschaft, woraufhin die Gesellschaft Klage erhob. Sie argumentierte, dass das grundsätzliche Fremdkapitalverbot für Rechtsanwaltsgesellschaften verfassungsrechtlich und europarechtlich nicht haltbar sei. Es müsse vielmehr bei entsprechenden (Satzungs-)Regelungen, die eine Einflussnahme auf die originäre anwaltliche Tätigkeit verhinderten, möglich sein, dass sich Finanzinvestoren an Anwaltsgesellschaften beteiligen können.
Der AGH hat nun dieser Argumentation folgend wegen erheblicher Bedenken an der Unionsrechtskonformität dieses Fremdbeteiligungsverbot dem EuGH die Frage vorgelegt, ob darin eine unzulässige Beschränkung der europäischen Grundfreiheiten, namentlich Kapital, Dienst- und Niederlassungsfreiheit verbunden ist. Ausdrücklich stellten die Richter in Auseinandersetzung mit der Apotheker-Entscheidung des EUGH vom 19.6.2009 (C 171/07 und 172/07), dass eine vergleichbare Gefahrenlage nicht bestehe. Bei der Rechtsberatung habe „es vielmehr der durch die Berufsordnung gebundene Vertreter der Rechtsanwaltsgesellschaft in der Hand, das Verfahren im Interesse seines Mandanten bis zu seinem Ende zu führen. Dies [entspräche] strukturell der Tätigkeit eines Arztes, der ebenfalls die Behandlung bis zum Eintritt des Behandlungserfolges eigenverantwortlich führt, sofern sie der Patient nicht vorher beendet.“
Aufhorchen lassen sollte Befürworter einer weiteren Beschränkung der MVZ-Gründungsberechtigung insbesondere die folgende Feststellung:
„Ein Bedürfnis, den Betrieb medizinischer Versorgungszentren oder Krankenhäuser durch das Fremdbeteiligungsverbot abzusichern, wurde durch den Gesetzgeber nicht gesehen, obwohl auch die Therapieentscheidung des Arztes erheblich unter wirtschaftlichem Druck stehen und durch ökonomische Gesichtspunkte beeinflusst werden kann.“
II. Ausblick
Nach dem Urteil des EuGH wird es sicher mehr Klarheit darüber geben, ob bereits die bestehenden Regelungen zur Gründungsberechtigung von MVZ und die Fremdbesitz-Regelungen der (Heilberufe-)Kammergesetze verbunden mit den jeweiligen Berufsordnungen für Ärzte, Zahnärzte, Psychotherapeuten, Apotheker usw. mit dem europäischen Recht vereinbar sind. Auch werden sich voraussichtlich die Grenzen einer Regulierung ergeben.
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